Zur Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors hat die Stadt Bornheim zwölf weitere Stolpersteine verlegt, sodass sich im gesamten Stadtgebiet nun insgesamt 67 Steine befinden.
Zwölf weitere Stolpersteine erinnern an NS-Opfer
Termine & AktionenAlleStadtgeschehen28. September 2021
Um bei der Verlegung der kleinen Denkmäler für Else, Hans und Ruth Rolef sowie deren Onkel Sally Rolef in der Germanenstraße in Widdig dabei sein zu können, waren zwölf Nachkommen der Familie eigens aus den USA angereist.
Die erste Station bildete jedoch das Haus Brunnenstraße 74 in Roisdorf. Dort wohnte der aus Mechernich stammende Arbeiter Friedrich Wilhelm Forsbach zusammen mit seiner Frau Mechtilde. Am 26. Juni 1941 wurde er in seiner Arbeitsstätte im Roisdorfer Brunnen von der Gestapo verhaftet und in Bonn inhaftiert. Von dort wurde er in das KZ Flossenbürg deportiert, wo er keine zwei Monate später, am 31. Oktober 1941 ermordet wurde.
Friedrich Wilhelm Forsbach war kein Jude. Er ist das erste nicht-jüdische Opfer, für das in Bornheim ein Stolperstein verlegt wurde. Warum er in das Visier der Nazis geriet, ist unbekannt. Er galt als Sternenddeuter und astrologisch interessiert. Eventuell hielt man ihn auch irrtümlich für einen Spion, der den alliierten Flugzeugen Signale gab.
Anschließend ging es in die Königstraße, wo vor der Hausnummer 74-76 vier Stolpersteine verlegt wurden. Weil der ursprüngliche Termin Corona-bedingt verlegt werden musste, konnte der Künstler und Stolperstein-Erfinder Gunter Demnig ob seines prall gefüllten Kalenders diesmal nicht vor Ort sein können. Für ihn übernahm Phillipp Hoppe vom Stadtbetrieb Bornheim die Aufgabe, die Steine ebenso fachmännisch wie würdevoll in den Boden einzulassen. Im Haus Brunnenstraße 74 wohnte einst die jüdische Familie Levenbach. Das waren der Metzger und Viehhändler Leo Levenbach und seine Frau Anna mit den Kindern Jakob, Bruno, Martha und Thea.
Thea starb bereits kurz nach der Geburt im Kriegsjahr 1918. Ein Jahr später verstarb auch Leos Ehefrau Anna. Nach ihrem Tod heiratete Leo die aus Luxemburg stammende Mathilde Lazard. Gemeinsam bekamen Sie ein weiteres Kind namens Harry. Bereits vor der Machtergreifung scheinen die Kinder Martha und Bruno gemerkt zu haben, dass die antisemitische Stimmung zunahm, denn sie verließen bereits 1931 das Land. Jakob, der älteste Sohn, floh 1936 nach Frankreich. Als die Lage für die Juden in Deutschland unter den Nazis immer bedrohlicher wurde, flohen auch Leo und Mathilde - nur acht Tage vor dem Bornheimer Novemberpogrom - zusammen mit ihrem gemeinsamen Sohn Harry nach Luxemburg. Ihnen gelang die Flucht in die USA. Jakob hatte weniger Glück. Er schaffte es nicht, Frankreich rechtzeitig zu verlassen, wurde nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich verhaftet und 1942 nach Auschwitz deportiert, Dort wurde er auch ermordet.
Im Anschluss an die Verlegung versammelten Archivar Jens Löffler und Bürgermeister Christoph Becker die Teilnehmer auf dem Peter-Fryns-Platz, um dort den Paten der Steine jeweils eine Ehrenurkunde zu verleihen. Dann ging es in die Heinestraße, wo an weitere drei Personen erinnert wurde.
Denn neben dem Gebäude mit der Hausnummer 3 stand das Haus der Geschwister Nathan. Julie und Sibilla Nathan betrieben dort eine kleine Kolonialwarenhandlung. Moses Nathan arbeitete als Glaser und war im Dorf immer gefragt, wenn irgendwo eine Scheibe zu Bruch ging. Als am 10. November 1938 nur wenige Meter vom Haus entfernt die Synagoge brannte, verfolgten die Geschwister das Geschehen mit Entsetzen. Es wird berichtet, dass sich eine der Schwestern aus Protest und Verzweiflung selbst in Brand stecken wollte. Diese Verzweiflungstat der Nathans nutzten die Nazis auf zynischste Weise, um die Geschwister zu enteignen und weiter zu entrechten. Noch im selben Jahr wurden die Geschwister für „geistesschwach“ erklärt. Ihr Besitz wurde ihnen weggenommen. Sibilla und Moses wurden mit 72 bzw. 84 Jahren zwangsweise in das Krankenhaus Maria Hilf in Rheinbach eingeliefert. Sibilla verstarb dort im März 1940, Moses verstarb im Januar 1941. Julie Nathan wurde in die Heil- und Pflegeanstalt Bonn eingewiesen. Am 20. Juli 1942 wurde sie nach Minsk deportiert und ermordet.
Den Abschluss bildete die Germanenstraße 26 in Widdig. An dieser Stelle liegen bereits seit 2010 Stolpersteine für Abraham Rolef und seine Frau Berta. Nun wurden vier weitere Steine verlegt – für die Kinder des Ehepaars Rolef, Else, Hans und Ruth, sowie Abrahams Bruder Sally. Während ihr Vater Abraham, der im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatte, bis zuletzt nicht glauben konnte, was „sein Land“ ihm antun würde, schafften seine Kinder Else, Hans und Ruth es rechtzeitig, zu emigrieren.
Ruth Rolef war 19, als sie nach Israel übersiedelte. „Aber ein Mal im Jahr reiste sie immer wieder nach Widdig, um ihren geliebten Rhein zu sehen – sie kannte hier auch immer noch viele Leute, die sie gerne besuchte“, erzählte Philipp Rosenblum. Der 84-Jährige ist der Ehemann von Ruths Tochter Miriam, die ebenfalls bei der Verlegung der Steine anwesend war. „Für mich ist es ein seltsames Gefühl, hier zu sein. Ich wusste nicht viel, bevor ich herkam“, erklärte Tamir Rosenblum, Sohn von Miriam und Philipp, der zum ersten Mal im Heimatdorf seiner Familie war. "Für unser aller Leben ist dieser Moment sehr wichtig“, ergänzte Philipp Rosenblum.
Sally Rolef war Metzgermeister und lebte zwischenzeitlich in Bonn. Am 20. Juli 1942 wurde er, im selben Zug wie Julie Nathan, nach Minsk transportiert und dort im nahegelegen Wald von Blagowtwschina am 24. Juli 1942 ermordet. Die Stadt Bornheim hat sich ganz bewusst dazu entscheiden, auch für die Geflüchteten, die durch den Verlust ihrer Heimat und ihrer Familien zu Opfern wurden, Steine zu verlegen. So werden die Familien, die durch den NS-Terror auseinandergerissen wurden, zumindest im Gedenken wieder vereint.
Den Kontakt zur Familie hatte Petra Fendel-Sridharan aufgenommen. Ihre Großmutter „Gretchen“ Rech war eng mit Ruth Rolef. Nach deren Tod 2003 verloren die Familien sich mehr und mehr aus den Augen. Über Umwege fand Fendel-Sridharan schließlich die Adresse von Ruths Familie heraus. Sichtlich berührt, freute sie sich, dass es nach so langer Zeit zu einem Wiedersehen gekommen ist. Und Bornheims Bürgermeister Christoph Becker gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass „der Kontakt der Nachfahren jüdischer Familien aus Bornheim mit ihrer Heimatstadt nicht abreißt und zu einer Brücke wird“.