Digitale Ausstellung „Schulchronik Merten“

„Eine einzigartige Quelle“

Der Vorgebirgsort Merten wird dieses Jahr 850 Jahre alt. Ein Grund zum Feiern. Aber auch dunkle Zeiten hat der Ort erlebt. Eine neue virtuelle Ausstellung beschäftigt sich mit der Geschichte des Ortes im Zweiten Weltkrieg.

Im Austausch über die Mertener Schulchronik (v.l.): Stadtarchivar Jens Löffler und Kunsthistoriker und Volkskundler Hans Schmidt

Im Austausch über die Mertener Schulchronik (v.l.): Stadtarchivar Jens Löffler und Kunsthistoriker und Volkskundler Hans Schmidt

Der Kunsthistoriker und Volkskundler Hans Schmidt hat sich dafür einer besonderen Quelle aus dem Bornheimer Stadtarchiv gewidmet: der Schulchronik der Volksschule Merten aus den Jahren 1940 bis 1949.

„Schulchroniken sind eine hervorragende Quelle für die Geschichte der Orte, in denen sie entstanden sind. Bei der Mertener Chronik kommt hinzu, dass sie eine Sammlung der alliierten Flugblätter beinhaltet, die im Zweiten Weltkrieg über Merten abgeworfen worden sind“, erläutert Stadtarchivar Jens Löffler. „Daher freue ich mich, dass sich Hans Schmidt eingehend mit der Quelle befasst und mit Unterstützung des Stadtarchivs diese spannende Ausstellung zusammengestellt hat.“

Eigentlich war es strengstens verboten, die Flugblätter zu sammeln und zu behalten, die amerikanische und englische Flugzeuge auch über dem Vorgebirge in großer Zahl abgeworfen hatten. Kein Wunder, sollten die Druckschriften doch den Glauben der Bevölkerung an einen Sieg zerstören und die Lügen der Nazi-Propaganda entlarven. Der Mertener Schulleiter Wilhelm Billigmann sammelte sie dennoch gezielt und klebte sie in die Schulchronik. So entstand eine Collage aus Texten eines scheinbar regimetreuen Lehrers, alliierter Gegenpropaganda, Totenzetteln gefallener Mertener Soldaten und weiteren Dokumenten, die den Wahnsinn des Krieges eindrucksvoll widerspiegelt.

Hans Schmidt hat sich intensiv mit der Flugblattpropaganda im Zweiten Weltkrieg beschäftigt und ein Jahr lang regelmäßig an der Ausstellung gearbeitet. Eine derart enge Verbindung zwischen Flugblättern und Lokalgeschichte wie in der Mertener Schulchronik hält er für einzigartig: „Exemplare der Flugblätter sind zwar auch in anderen Museen und Archiven zu finden, eine derartige Verquickung mit der Ortsgeschichte ist mir bisher aber noch nicht begegnet.“ So werden an einer Stelle der Chronik die ersten Luftangriffe beschrieben, die Merten trafen und daneben klebt ein Flugblatt, das Bilder der Angriffe auf die nahgelegenen Raffinerien in Wesseling zeigt. An anderer Stelle finden sich Druckschriften, die von der aussichtslosen Lage an der Ostfront berichten direkt neben den Totenzetteln Mertener Soldaten, die dort gefallen sind. „Ein paar Seiten weiter wiederum findet sich dann ein Text für eine Schulfeier anlässlich des Jahrestages der Nationalsozialistischen Machtübernahme, in denen die Schüler den Heldentod preisen müssen“, erklärt Schmidt.

Archivar Jens Löffler findet diese Kombination bedrückend, aber auch faszinierend: „Einzelne Schicksale junger Menschen liegen hier buchstäblich zwischen zwei Versionen der gleichen tragischen Geschichte. Die Beschäftigung mit einer solchen Quelle kann gerade für junge Menschen sehr wertvoll sein, in einer Zeit, in der es insbesondere im Netz immer schwieriger wird, Lüge und Wahrheit voneinander zu unterscheiden.“

Die Ausstellung ist ab sofort unter dem Link https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/schulchronik-merten aufrufbar. Es ist bereits die dritte virtuelle Ausstellung zur Bornheimer Stadtgeschichte, die das Stadtarchiv mit Hilfe des Tools DDBStudio der Deutschen Digitalen Bibliothek publiziert. Bereits erschienen sind Ausstellungen zu den Themen Telekommunikation und zur Geschichte der Juden in Bornheim. Eine Übersicht mit allen Links zu den Ausstellungen ist auf der Internetseite des Stadtarchivs zu finden unter www.bornheim.de/stadtarchiv.